Historie
Chronik des Schachclubs Bad Nauheim (nach Heino Robert) (Unser Dank gilt Schachfreund Heino Robert, der uns diese Daten zur Verfügung gestellt hat, die er während seiner Recherchen bzgl. der Chronik der Schachfreunde Friedberg zusammengetragen hat; weiterhin hat er zahlreiche weitere Ideen und Anregungen für weitere Recherchen gegeben, die allerdings noch nicht in Angriff genommen wurden. Aus aktuellem Anlaß sind die Bezüge zur Kurverwaltung fett markiert). 1894 hatte ein „R.B.“ aus Bad Nauheim einen Schriftwechsel mit der Deutschen Schachzeitung in Berlin. Gemäß einer Zuschrift (E-mail) des Gießener Schachklubs vom 31.10.2002 hatte der Gießener SK „Spiele gegen Bad Nauheim“ vor dem 1. Weltkrieg. Wenn dies vor 1910 war, wie Gießen vermutet, so müssten es – eher unwahrscheinlich – vereinslose Bad Nauheimer Spieler gewesen sein („R.B.“ u.a.?), die am 01.04.1910 den Schachverein gegründet haben. Ich vermute jedoch, dass es sich bei dem Wettkampf um den unten beschriebenen vom Juni 1911 gehandelt hat (vielleicht gab es einen Rückkampf). Im September 1909 spielte auf Einladung der Kurverwaltung der Leipziger Schachmeister Jacques Mieses im Kurhaus von Bad Nauheim simultan gegen 20 bis 24 Gegner. Das Ergebnis ist nicht überliefert, auch nicht, welche Bad Nauheimer (oder auch Friedberger) Spieler beteiligt waren. Im „Oberhessischen Anzeiger“ vom 13.04.1910 erschien dann folgende Mitteilung: „Bad Nauheim. Ein Schachverein wurde hier laut ‚Gieß. Anz.’ ins Leben gerufen. Der Vorsitzende des neuen Vereins, der sich dem deutschen Schachbund angliedern wird, ist Schriftsteller Wichmann. Im Interesse des Bades liegt es natürlich, dass auch die Kurdirektion einem Schachklub die größten Symphathien zeigen wird. So wird dem Verein im neuen staatlichen Café in den Kolonnaden ein besonderer Platz reserviert, auch hat der Kurdirektor für Arrangierung von Schachturnieren Unterstützung zugesagt.“ – Das genaue Gründungsdatum ist der 1. April 1910 (Deutsche Schachzeitung vom Juni 1910). Diese tatkräftige, d.h. insbesondere finanzielle Unterstützung gab es bis 1942. Sie befähigte Verein und Kurverwaltung, weithin beachtete Kurhausturniere und Klubkämpfe als Werbeveranstaltungen auszutragen. Hier einige Daten: Am 08.07.1910 spielte Mieses (* 1865) an 26 Brettern erneut simultan. Er gewann 20 Partien, verlor 4 und remisierte zweimal. Am 12.06.1911 gab der russische Meisterspieler Alapin eine Vorstellung mit 13 Simultan- und 2 Blindschachpartien. Auch im Juni 1911 kam der Gießener Schachklub mit 13 Personen (12 Herren, 1 Dame) zu einem Wettkampf (Ergebnis nicht überliefert, Mitteilung im Oberhessischen Anzeiger vom 04.05.1912). Am 23.07.1911 spielte der langjährige amerikanische Meister Frank J. Marshall in zwei Vorstellungen, darunter einmal simultan. Und am 31.07.1911 präsentierte sich Mieses im Blindschach. Weitere Simultanveranstaltung mit Mieses am 13.09.1912. Im Oberhessischen Anzeiger vom 04.05.1912 umfangreicher Bericht über die Generalversammlung. Der Verein hatte 28 „ordentliche“ Mitglieder, darunter mehrere aus Friedberg. Am 01.05.1913 weitere Generalversammlung: 26 Mitglieder. Der Schachverein ist 1915 im Friedberger Adressbuch unter Bad Nauheim unter „Geselligkeitsvereine“ aufgeführt. Vorsitzender: Schriftsteller Ludwig Wichmann. Von 1915 bis 1920 wurden in Friedberg keine Adressbücher herausgegeben. In dem von 1921 ist der Verein nicht angeführt, allerdings noch Ludwig Wichmann. Dieser ist Ende 1925 im Alter von 72 Jahren verstorben. In der Ausgabe 1926 ist der Verein nicht ausgewiesen, dagegen wieder in 1928 mit Rechnungsrat Kissel als Vorsitzenden. Zusammenkünfte damals im Café König: freitags ab 20 Uhr, samstags ab 16 Uhr. In den vorhandenen Adressbüchern danach fehlen Eintragungen. Am 20.02.1932 wurde über einen Wettkampf an 15 Brettern mit dem Schachklub Marburg berichtet, ausgetragen in den „oberen Räumen“ des Cafés König. Der Schachverein Bad Nauheim gewann mit 9 : 6 Zählern. Am 13.10.1932 spielte der deutsche Meister Bogojubov im Café König an etwa 40 Brettern simultan. Leider gab es keinen Ergebnisbericht. Überliefert ist nur indirekt (WZ vom April 1950), dass Richard Oßwald aus Friedberg gewonnen hat. Am 29.11.1934 hielt Fernschachmeister Roogmann einen Vortrag. Anschließend spielte er an 26 Partien simultan. Er gewann 18, verlor 3, remisierte 5 Mal. Im August 1935 wurde im Kurhaus von Bad Nauheim unter der Leitung des Großdeutschen Schachbundes mit 10 Teilnehmern ein Internationales Schachturnier ausgetragen. Sieger wurde der eingebürgerte Russe und bereits mehrfache deutsche Meister Efim D. Bogoljubow mit 6 Punkten aus 9 Partien vor Eliskases (Österreich) und Engels (D.) mit je 5 ½ Punkten. Im Rahmen des Turniers wurde am 10.08.1935 ein „Schach-Ball“ veranstaltet, an dem die Turnierteilnehmer Bogojubow und Stoltz (Schweden) eine „lebende Schachpartie“ spielten. Im Januar 1936 wurde Dr. Hahndorff als Vereinsleiter wieder gewählt, ebenso im März 1937. Im Februar 1936 spielte der bayerische Meister Steinkohl im Café König simultan. Ferner wurde dort ein Mannschaftspiel gegen die Schachfreunde Wetzlar ausgetragen. Das nächste Internationale Schachturnier im Kurhaus lief bereits wieder vom 17. bis 24. Mai 1936 mit ebenfalls 10 Teilnehmern, darunter Aljechin, Bogoljubov, Dr. Vidmar, Keres, Rellstab, Weißgerber (vermutlich G . Weißgerber aus Zweibrücken). Die Leitung des Turniers im Kurhaus hatte Gauschachwart Pg. (Parteigenosse) Steul aus Frankfurt a.M. Es gewannen Dr. Aljechin und Keres mit je 6 ½ Punkten aus 9 Runden. Am 22.11.1936 spielte die Mannschaft in Wetzlar 5 : 5, am 03.01.1937 im Café König gegen den SK Gießen 5 : 8. Das Rückspiel in Gießen wurde am 26.03.1937 ausgetragen. Gießen gewann mit 13 ½ : 3 ½. Am 24.01.1937 schlug der Schachverein die Frankfurter Schachfreunde mit 9 : 4 Zählern. Der Rückkampf gegen die Schachfreunde Wetzlar am 07.03.1937 wurde mit 3 ½ : 2 ½ gewonnen. Das Rückspiel in Frankfurt am 17.11.1937 ging mit 2 ½ : 12 ½ verloren. Am 19.12.1937 verlor die Mannschaft gegen Hanau 0 : 8, am 09.01.1938 blieb sie gegen Büdingen mit 10 : 3 erfolgreich. Im Januar 1938 spielte der Vereinsmeister Steinmetz in Büdingen simultan sowie einige Blindpartien. Am 13. März 1938 wurde ein Mannschaftsspiel in Wetzlar mit 10 ½ : 6 ½ gewonnen, am 08.05.1938 gegen Bad Homburg mit 6 ½ : 12 ½ verloren, am 15.05.1938 gegen Oberursel mit 10 : 0 gewonnen, am 28.05.1938 gegen Bad Homburg mit 17 : 13 gewonnen, am 11.06.1938 in Oberursel mit 12 : 7 gewonnen. Im Vereinsturnier 1936/37 wurde der junge J. Murphy Sieger in der B-Klasse. Sieger in der A-Klasse und damit Vereinsmeister wurde Steinmetz. Er verteidigte 1938 seinen Titel. Im April 1937 spielte Bogoljubov erneut in Bad Nauheim simultan an 21 Brettern. Er schien nicht in Bestform, denn er gewann nur 9, verlor 9 und remisierte 6 Mal. Schon im Juli 1937 veranstaltete der Großdeutsche Schachbund ein Turnier mit den vier Klassespi-lern Dr. Max Euwe (Weltmeister), Vize-Weltmeister Aljechin (von Euwe entthront) und den Großmeistern Bogoljubov und Sämisch. Im Kurhaus von Bad Nauheim wurden die ersten beiden Runden gespielt. Das Turnier wurde anschließend in Stuttgart und Garmisch fortgesetzt. Im Rahmenprogramm spielte Sämisch 8 Partien blind-simultan. Er gewann 7 und verlor eine. Und Aljechin gewann von 26 Normal-Simultan-Partien 25 und verlor eine einzige gegen den 17-Jährigen Schifferdecker aus Mainz. Im Januar 1938 Bericht über die Hauptversammlung des Schachvereins im Café König. Bisheriger Vereinsführer Dr. Hahndorf wurde abgelöst durch August Georg Langsdorf. Es wurde auch mit Herrn Konrad ein Archivführer ernannt (Archivführer! Es sollten Nachforschungen angestellt werden). Am 20. Januar 1939 ebenfalls Bericht über Hauptversammlung. Langsdorf wurde für 3 Jahre als Vorsitzender („Vereinsführer“) wiedergewählt. Im März 1940 wurde das 30-Jährige Vereinsbestehen mit einem Kameradschaftsabend gefeiert. 1940 wurde der schon genannte Langsdorf Vorsitzender des NS-Sportkreises Friedberg. 1943 scheint dieser auch Vorsitzender der Friedberger Turngemeinde gewesen zu sein. 1940 wurde Rogoschin Vereinsmeister vor Murphy. Pokalsieger dieses Jahres wurde Murphy vor Rogoschin. Im November 1940 wurde von der NS-Schachgemeinschaft Friedberg ein Turnier mit 12 Teilnehmern aus Friedberg und Bad Nauheim ausgetragen. Sieger und damit „Friedberger Kriegs-Schachmeister 1940“ wurde der talentierte Nachwuchsspieler Jüdermann, Gastspieler beim SV Bad Nauheim, vor Rasser (Friedberg). Das Nachsehen hatten so bekannte Spieler wie Dr. Offergeld, Pokalsieger Murphy und Stadtmeister Rogoschin (alle Bad Nauheim). Die als Teilnehmer angekündigten „führenden“ Friedberger Spieler Richard Oßwald, Schab und Georg Schieferstein spielten nicht. – Zu Murphy: 1928 lebte in der Parkstraße 8 in BN die „Privatin“ Margarete Murphy. Bei dem Schachspieler Murphy könnte es sich somit um ihren Sohn gehandelt haben. – Zu Rogoschin: 1955 lebte in der Franz-Groedel-Straße 8 in BN die Sprachlehrerin Valentine Rogoschin. Es könnte sich um seine Witwe (Kriegerswitwe?) gehandelt haben. Rogoschin selbst war 1941 nach Krakau versetzt worden. Und noch einmal tat sich etwas: Am 4. Mai 1942 spielte Weltmeister Aljechin simultan gegen Schachfreunde aus Bad Nauheim, Friedberg und Butzbach, Gießen u.a. Er gewann alle 34 Partien. Im November 1942 erschien ein Bericht, nach dem der Verein Schachspiele mit Kriegsverwundeten organisierte. 1947 gehörte der SV Bad Nauheim dem Unterverband „Lahn-Eder“ an (eventuell auch als Gründungsmitglied). Am 16.11.1947 sollte in der A-Klasse (damals höchste Klasse) Spiel gegen Gießen ausgetragen werden. Es kam nicht zu Stande, weil die Bad Nauheimer Wettkämpfe „in dieser Form“ (? – Näheres nicht bekannt) ablehnten. Genannt wurden in diesem Zusammenhang auf Bad Nauheimer Seite die Namen Walter Niephaus, Dr. Walter Pfeffer und Herr Kruphaus. 1949 wurde im Oberhessischen Anzeiger berichtet, dass es seit Jahrzehnten Adressbücher der Stadt Nauheim gebe (in Friedberg nur gelegentlich herausgegeben, dafür hin und wieder unter Einschluss von Bad Nauheim und des Kreises Friedberg). Diese sollten bei Nachforschungen herangezogen werden. Am 27. Dezember 1949 wurde ein Mannschaftsspiel in Friedberg mit 8,5 : 5,5 Punkten gewonnen. Das Vereinsturnier des Jahres (15 Teilnehmer im Vereinslokal Hotel Burk) wurde gewonnen von Dr. Pfeffer vor Dr. Bernhard Riepenhausen. 1950 gehörte zu den Bad Nauheimer Spielern noch der aus Frankfurt/M. zugezogene Walter Niephaus (seine Schwester Friedel Niephaus bis heute). Walter Niephaus lebte später in Wiesbaden. Er zählte zu den großen Spielern Deutschlands und spielte auch mehrere Male um die Deutsche Meisterschaft mit. Im Bad Nauheimer Schachturnier 1948 belegte er hinter Unzicker und Rellstab den 3. Platz. Am 9. Mai 1950 endete ein vom Verein veranstalteter Wettkampf gegen eine lettische Mannschaft mit 5 : 5. Auf deutscher (?) Seite spielte u.a. ein Herr Hübner. Ob es sich um einen Bad Nauheimer Namensvetter des späteren Großmeisters handelte, wäre noch zu klären (klärbar). Am 11. Juli 1950 sollte Walter Niephaus anlässlich des 40-Jährigen Gründungsjubiläums (noch zu diesem Zeitpunkt war die Gründung in 1910 bekannt!) im Café König an 25 Brettern eine öffentliche Simultanvorstellung geben. Einen Bericht hierüber habe ich nicht gefunden. Auch im Juli 1950 wurde im Café König ein „Kurgast-Schachbuch“ ausgelegt, mit dessen Hilfe schachinteressierte Kurgäste Kontakt zu einheimischen Spielern finden sollten. Niephaus spielte am 24. September 1950 in Friedberg simultan gegen 14 Gegner. Er gewann 8 und remisierte 6 Mal. Im Februar 1951 besiegte er in Wiesbaden (Hotel Nizza) den europäischen Schach-meister O’Kelly de Galway (Belgien) mit 3,5 : 1,5 Punkten. Im Oktober 1951 wurden im Haus der Jugend zwei kleine Schachturniere ausgetragen. Beide Male gewann Wolfgang Kunkel. Im März 1952 wurde die Bad Nauheimer Schachmeisterschaft 1952 ausgeschrieben. Der Verein spielte damals im Jägerheim. Dort gab es für eine geschlossene Abwicklung des Turniers jedoch keine ausreichenden Räumlichkeiten mehr und – anscheinend – auch nicht mehr genügend Spielmaterial (Uhren). Das Vereinsturnier ging im April 1953 zu Ende und wurde zum dritten Mal in Folge gewonnen von Dr. Walter Pfeffer. Dieser spielte ab September 1953 in der Mannschaft der Friedberger Schachfreunde mit. Über die Gründe der vorüber gehenden Beendigung des Spielbetriebs in Bad Nauheim seit etwa dieser Zeit kann ich bisher nur spekulieren: Möglicherweise stand tatsächlich kein ausreichendes Spiellokal mehr zur Verfügung, weshalb auch keine Mannschaftsspiele mehr ausgetragen werden konnten. Am 27.02.1954 spielte ein Bad Nauheimer namens Martin gegen den Friedberger Botho Dieckmann eine Blitzpartie, die in der Wetterauer Zeitung vom 18.07.1954 abgedruckt wurde. Anlässlich der Feiern „100 Jahre Stadt Bad Nauheim“ wurde in der Wetterauer Zeitung vom 3.10.1954 ein Artikel gebracht unter der Überschrift ‚Auch der Sport ist hier zu Hause’. Unter den aufgezählten Vereinen findet sich auch der Schachverein (keine näheren Angaben). Von 1952 bis in die 60er Jahre gab es in Bad Nauheim (Frankfurter Straße 8 ) den Schachverlag Heinz Loeffler. Er stammte aus Breslau und leitete dort die Schachspalte einer Tageszeitung. 1980 wurde der Verein als Schachclub wieder ins Leben zurück gerufen. Maßgeblich beteiligt hieran waren Frau Friedel Niephaus, Herr Arno Geismar, Herr Nedjelko Busic und Herr Adalbert Kutyma. Nach der Gründung im Restaurant Gaudesberger fand der der Schachclub einen Schachraum in der Trinkkuranlage, wo für zwanzig Jahre in kooperation mit der Kurverwaltung Kurgäste und Einheimische Schachspieler zusammen trafen. Diese fantastische Spielstätte ging leider im Rahmen des Verkaufs der Trinkkuranlage verloren.