Am Anfang stand eigentlich nur eine Frage: Wie mache ich am besten Urlaub mit einem 10 Monate alten Baby? Flugreise? Nö. Hotelurlaub? Nein, danke.

Warum also nicht eine Kombination aus Schachspielen und Städteurlaub? Immer einen halben Tag Schach, dann den Rest des Tages mit der Kleinfamilie verbringen. Eine passende Location war schnell gefunden: Das ZMDI Open in Dresden, das ja schon eine lange Tradition hat und damit im Grunde genommen auch unter die Rubrik „Berühmte Turniere, aus der Nähe gespielt“ fällt, bot alles Gesuchte – den passenden Modus, eine interessante touristische Umgebung und eine schöne Ferienwohnung, nur fünf Minuten von der Elbe und Dresdens berühmter Brücke, dem „Blauen Wunder“, entfernt.

Gespielt wurde immer um 09:30 Uhr (mit Ausnahme des Anreisetages), 9 Runden Schweizer System. Zeitvorgabe waren 40 Züge in 90 Minuten, mit 30 Minuten für den Rest der Partie und 30 Sekunden extra für jeden gespielten Zug. Das war für mich sehr ungewohnt, kam mir aber letztlich eher zugute, da es einen zum einen diszipliniert, zu Beginn nicht zu langsam zu spielen, und man zum anderen am Ende nie wirklich in aussichtslose Zeitnot kommt – man hat dann immer noch 30 Sekunden pro Zug, um beispielsweise das Matt mit Läufer und Springer gegen den König zu absolvieren.

Zum Teilnehmerfeld: Die insgesamt ca. 250 Angemeldeten teilten sich nach Wertung in drei Gruppen auf. In der ersten Gruppe waren 112 Spieler dabei, darunter etwa 10 Großmeister, 10 Internationale Meister und 10 FIDE-Meister. Die schwächsten Teilnehmer in dieser Gruppe hatten DWZ-Zahlen von ca. 1900, das Gros war zwischen 2100 und 2300 angesiedelt. Ich lag mit meiner Elo auf Platz 46 der Setzliste, mit meiner über die Jahre heruntergewirtschafteten DWZ-Zahl dagegen etwa auf dem zehntletzten Platz. Schwache Gegner im eigentlichen Sinne gab es also nicht, was einerseits motivierte, andererseits aber auch einigen Stress vorausahnen ließ.

In der ersten Runde hatte ich den einzigen Kontrahenten mit einer schwächeren Wertungszahl (im Vergleich zu meiner eigenen), einen Bautzener mit ca. 1950. Da ich an dem Morgen jedoch um 05:30 Uhr in Bad Nauheim losgefahren und dann nach Übernahme der Ferienwohnung gleich ans Brett gegangen war, kostete es einige Mühe, diese Partie zu bestreiten. Aber am Ende konnte ich einigermaßen sicher meinen ersten Sieg einfahren.

Tags darauf wurde mir dann gleich ein Großmeister zugelost. Tibor Fogarasi – zugegebenermaßen mit 2400 nicht gerade ein Top-GM, seine besseren Zeiten hatte er Anfang der 2000er – war der dritte Großmeister, gegen den ich in meinem Leben eine Turnierpartie spielen durfte. Ich wählte den Königsindischen Angriff und kam in eine relativ komfortable Stellung. Nach einer Abwicklung in eine Position mit ungleichfarbigen Läufern, aber noch vorhandenen Damen und Türmen, überraschte er mich gehörig, als er mir ein „I offer you a draw“ zuraunte. Ich nahm an und war natürlich glücklich über diesen Erfolg.

In Runde drei traf ich auf den Erfurter Bundesligaspieler Ferenc Langheinrich, der zwar mit Elo 2439 zu Buche stand, aber bislang keinen der FIDE-Titel trug. In dieser Partie hatte ich etwas Glück. Nach königsindischer Eröffnung stand ich mit Schwarz zunächst leicht besser, verlor dann aber an Boden. Mein Gegner rannte gegen meine Barrikaden an und hatte mich auch fast überspielt. Anstatt aber letztendlich „den Sack zuzumachen“, griff er bei knapper Zeit daneben und wählte einen Turmzug, der mir einen Mehrbauern beschert hätte. Dies hätte höchstwahrscheinlich nicht zum Sieg gereicht, aber mein Gegner war über seinen „Patzer“ so entnervt, dass er unmittelbar aufgab – ein unverhoffter „Big Point“ nach zähem Ringen.

Nun lag ich mit 2,5 aus 3 so weit vorne, dass meine nächste Partie sogar live ins Internet übertragen wurde (dies war jeweils bei den Brettern 1 bis 8 der Fall). Leider verlor ich die Runden vier und fünf mehr oder weniger deutlich gegen die Internationalen Meister Gyula Iszak (Griesheim, 2444) und Ivajlo Enchev (Bulgarien, 2392). Damit lag ich wieder bei 50 Prozent und suchte nach einer Strategie, die Niederlagenserie zu verdauen und nicht gleich eine „lange Rochade“ daraus zu machen.

Zum Glück hatte ich in Runde 6 gegen einen alten Bekannten aus meiner Kieler Jugendzeit anzutreten: Ole Büchmann (nun seit ein paar Jahren in Leipzig) hatte zwar in den Runden zuvor bereits die Titelträger GM Farago und IM Pirrot ausgeschaltet, war aber nicht in großer Kampfeslaune, so dass ich mich mit einem schnellen Remis regenerieren und den Nachmittag mit einem tollen Ausflug in Dresdens „Großem Garten“ ausklingen lassen konnte.

Nun hatte ich wieder Kraft getankt und wollte aus den verbleibenden drei Partien noch möglichst viel herausholen. In Runde sieben hieß mein Gegner Florian Hahn, ein Jugendspieler aus Hessen (SJ Herborn) mit einer Zahl knapp über 2100. Wieder kam ich mit Schwarz in eine königsindische Position. Im Mittelspiel wickelte Hahn ungünstig ab und landete in einem aussichtslosen Turmendspiel mit zwei Bauern weniger. Kurz vor Ende der fünften Stunde konnte ich so meinen vierten Punkt einstreichen.

Mit 50 Prozent wäre ich im Gesamtergebnis schon sehr zufrieden gewesen. Deshalb bot ich in Runde acht nach wenigen Zügen Remis an. Mein Gegner war FM Michael Müller (Viernheim, Elo 2246). Er lehnte sofort ab, geriet aber anscheinend dadurch psychologisch unter Druck und musste schließlich nach unglücklichem Spielverlauf eine Qualität hergeben. Die resultierende Stellung war leicht für mich gewonnen und so kam ich ziemlich entspannt auf 5 aus 8.

Damit hatte ich alle meine drei ursprünglichen Turnierziele bereits übertroffen (Ziel 1: Nicht Letzter werden; Ziel 2: 50%; Ziel 3: Setzlistenplatz nach Elo erreichen). Mit einem Sieg in der letzten Runde hätte ich nun sogar noch in die Preisgeldränge kommen können. Dass mein Kontrahent IM Swayangsu Satyapragyan (Indien, 2401) es mir nicht leicht machen würde, war klar. Ich hatte in der Eröffnung (Spanisch mit Schwarz) tatsächlich eine Chance, in eine angenehme Position zu kommen, sah das entsprechende Motiv aber nicht. Danach musste ich 15-20 Züge lang mit einer langsam schlechter werdenden Stellung leben, ehe ich mit einer spektakulären Abwicklung fast noch zu einer Ausgleichsposition gekommen wäre. Leider nur fast: Satyapragyan spielte mit hartnäckiger Genauigkeit weiter, so dass ich schließlich nach gut 50 Zügen doch die „Segel streichen“ musste. Natürlich war ich direkt danach ein bisschen unzufrieden mit dem Spielverlauf, musste jedoch auch in Betracht ziehen, dass ich dafür an anderer Stelle im Turnier mehr Fortuna gehabt hatte.

Meine DWZ- und Elo-Leistung blieb trotz der Niederlage zwischen 2300 und 2400, so dass ich als 33. zufrieden den Heimweg antrat. Ich kann dieses Turnier sowohl im Hinblick auf die Spielbedingungen als auch auf das Rahmenprogramm (es gab z.B. eine Lebendschachpartie vor der Dresdner Frauenkirche mit Schachgrößen der Vergangenheit wie Kortschnoi, Taimanow, Uhlmann, usw.) nur weiterempfehlen. Unterkünfte sind in Dresden günstig und zahlreich verfügbar und auch abseits des Turniergeschehens gibt es sehr viel zu sehen.

Tabellen, Berichte, Fotos, etc. findet Ihr unter www.schachfestival.de.

 

IM Swayangsu Satyapragyan – Sebastian Syperek, Dresden 2014

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.d3 b5 7.Lb3 0-0 8.a4 Lb7 9.Sc3 b4 10.Sd5 Sxd5 11.Lxd5 d6 12.a5?! Tb8?! (Ich hatte die ganze Variante mit d3 und Sc3 noch nie gesehen, aber an dieser Stelle hätte ich die Ungenauigkeit a5 aushebeln können: Mit 12. … Sxa5! 13.Txa5 c6 hätte ich bei bequemer Stellung das Läuferpaar bekommen und wäre „am Drücker“ gewesen. Leider habe ich die Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen (meine Engine hat es mir hinterher „erzählt“), da mir nicht in den Sinn gekommen ist, den c-Bauern nach dem Springer-„Opfer“ vorziehen zu können.) 13.Le3 Lf6 14.c3 La8 15.Lc4 Lb7 16.Te1 bxc3 17.bxc3 Se7 18.Dc2 d5 19.La2 dxe4 20.dxe4 Sg6 21.Td1 Dc8 22.h3 h6 23.Lc5 Td8 24.Txd8 Dxd8 25.Tb1 Lc6 26.Lxf7+! Kh7 (26. … Kxf7 geht nach 27.Txb8 Dxb8 28.Da2+ übel aus.) 27.Td1 Dc8 28.Sh2 Sf4 29.Sg4 Db7 30.Ld5 Db5 31.Le3 De2!? (Das sieht bei knapper Zeit beiderseits noch mal wild aus, reicht aber leider am Ende knapp doch nicht.) 32.Dc1 Lxd5 33.exd5 Dxg4 34.hxg4 Se2+ 35.Kf1 Dxc1 36.Txc1 Tb5 (So weit hatte ich das bei De2 vorausberechnet, ohne aber dort bereits genau beurteilen zu können, wie die resultierende Stellung zu bewerten ist … abgesehen davon, dass ich den Bauern zurückbekomme.) 37.c4 Txa5 38.c5 Le7 39.Ke2 Kg6 40.d6! +- (Das ist ärgerlich. Nehmen geht natürlich nicht, also …) Ld8 41.c6 Td5 42.d7 Kf7 43.Ta1! a5 44.Tb1 a4 45.Tb8 Le7 (Bis hierhin hatte ich die Position in etwa vorhergesehen und gedacht, ich könnte den Weißen mit meinem vom Läufer gedeckten a-Bauern beschäftigen. Aber …) 46.Lb6! Killt den Schwarzen. Tb5 (Auf a3 folgt 47.Lxc7 a2 48.Ta8 – nach a5 kann der schwarze Turm nun wegen des Läufers auf b6 / c7 leider nicht mehr gehen.) 47.Lxc7 Txb8 48.Lxb8 a3 49.c7 a2 50.d8D Lxd8 51.cxd8D a1D 52.Lxe5 Da6+ 53.Dd3+ 1:0

Sebastian Syperek – FM Michael Müller, Dresden 2014

1.Sf3 d5 2.g3 Sf6 3.Lg2 c6 4.0-0 g6 5.d3 Lg7 6.Sbd2 0-0 7.e4 dxe4 (Das hilft in der Regel eher Weiß, da sich die Raumverhältnisse dadurch zu seinen Gunsten verändern.) 8.dxe4 Sa6 9.De2 Dc7 10.Sc4 Le6 11.Lf4 Dc8 12.Sg5 Sh5 13.Sxe6 Dxe6 14.Lc1 Tfd8 15.Sa5 Sc5 16.Sb3 (Weiß versucht, seine Stellung zu konsolidieren und dann den Vorteil des Läuferpaars auszuspielen.) Sxb3 17.axb3 Ld4 18.c3 Lb6 19.Dc4 (b4 war hier ggf. eine Alternative, siehe auch nächste Anmerkung.) Dd6 20.De2 Dd3 (Ich war ganz entspannt und wäre hier wahrscheinlich immer noch mit Remis zufrieden gewesen, z.B. im Falle von De6 mit nachfolgendem erneutem Dc4.) 21.Lf3 Sf6?! (Das ist vermutlich eine Ungenauigkeit. Besser wäre wohl Dxe2 22.Lxe2 und dann Sf6 gewesen.) 22.Dxd3 Txd3 23.Kg2! (So kann Weiß alles bequem stehen lassen, in Ruhe den Turm wieder rauswerfen und dann das Läuferpaar ausnutzen.) Tad8 24.Lg5 Kf8 25.e5 Sd7? (Schwarz merkt, dass sich der Spielverlauf zu seinen Ungunsten wendet, wird nervös und greift daneben. Notwendig war es, den Springer nach e8 zurückzuziehen, wobei Weiß auch dann eine gut spielbare Position hat.) 26.Le4 (Der Turm ist gefangen und Weiß gewinnt die Qualität. Die Frage ist, was Schwarz dafür bekommt. Das ist jedoch in der Folge nicht viel …) Sxe5 27.Lxd3 Sxd3 (Txd3 sieht auch düster aus, wenn Weiß dann einfach Tad1 spielt.) 28.Tfd1 f6 29.Le3 e5 30.Lxb6 axb6 31.f3 Ke7 32.Kf1 f5 33.Ke2 e4 34.fxe4 fxe4 35.Ta4! Sc5 36.Txd8 Kxd8 37.Td4+ Ke7 38.b4 und Schwarz, der seine Niederlage offenbar noch nicht wahrhaben wollte, gab erst nach weiteren ca. 20 Zügen auf. 1:0