Eines Tages vor langer, langer Zeit, habe ich mir vorgenommen, alle Turniere zu spielen, die für mich entweder Tradition haben oder aus anderen Gründen für mich etwas Besonderes sind. Falls ich jemals genug Geld für die Reisen zusammenbekommen sollte…
2001 war es dann so weit. Nach mittlerweile acht besonderen Turnieren in verschiedenen Ländern ist aktuell Biel in der Schweiz dran.
Was fällt nach 3 Runden auf?
Das Bieler Schachfestival läuft in seiner 47. Auflage. Das nenne ich Tradition.
Daniel King kommentiert die GM-Partien und beeindruckt durch eine phänomenale Fönfrisur. Da wird jeder Otto-Normal-Frisurträger neidisch.
Mit 2,5 aus 3 Punkten liege ich in „meinem“ Turnier bisher gut im Rennen (dynamischer Stellungsvorteil).
Das Turnier ist trotz vielsprachiger Teilnehmer das leiseste, das ich bisher gespielt habe (noch ein dynamischer Vorteil, aber für Biel). Und das, obwohl über 230 Spieler im gut klimatisierten Saal rumsitzen… Ein echter Kontrast zu vielen anderen großen Turnieren, z. B. Wijk.
Von wegen vielsprachig: In Biel kommt man mit Deutsch gut zurecht (hmm, ein dynamischer oder doch eher ein struktureller Stellungsvorteil von Biel?). Französisch reicht auch völlig, aber die Zahl der nur französisch sprechenden Leser dieses Beitrags dürfte überschaubar sein.
Die Schweiz im Allgemeinen und Biel im Besonderen sind ausgesucht schön. Bestes Wetter (zugegeben eine vermutlich nur kurzfristige dynamische Stärke des Schweizer Systems), schöne Stadtviertel, tolle Wanderwege und noch bessere Aussicht von oben auf die meisten Berge, die man sonst höchstens aus Bergsteiger- oder James Bond-Filmen kennt (strukturelle Bieler Stärken).
Zum Bild:
Die Schweizer können nicht nur Berge bauen: In der Mitte des Bildes sieht man in über 150 km Entfernung einen übergroßen Luxusfüllfederhalter der Marke Mont Blanc (Copyright Dennis Calder).
Ansonsten zahlt man für einen Dönerteller 16,50 Schweizer Franken, was bei Berücksichtigung der unverschämten Bankautomatengebühren abenteuerliche ca. 14 Euro sind (eine erhebliche strukturelle Schwäche). Man kommt aber auch günstiger an Essen in Restaurants oder besser gesagt: Man bekommt deutlich besseres Essen für verhältnismäßig wenig Aufpreis und am günstigsten ist das Essen immer noch im grenznahen deutschen Supermarkt (ein strukturelles Stellungsungleichgewicht).
Das Kongresshaus beinhaltet auch ein Schwimmbad mit Wasserrutsche, was in Anbetracht des Namens Kongresshalle irgendwie irritierend ist.
Die Partieergebnisse werden weder über den Durchschlag oder das Original des Partieformulars noch über einen separaten Ergebniszettel mitgeteilt. Es gibt nur die unbewachte Paarungsliste, in die man das Ergebnis einträgt. In Deutschland würde spätestens nach der Hälfte des Turniers ein Fälschungsversuch auftauchen, möchte ich wetten. Nicht so hier, im Land der aufrechten Eidgenossen!
Und abschließend eine Respektsbekundung für die Schiedsrichter und die Turnierleitung: Wenn hier das Partieergebnis nicht eingetragen wird, wird die Partie für beide genullt! Ich liebe es, wenn Schiedsrichter konsequent sind. Dann gibt es auch seltener Ärger als bei unsicheren Schiedsrichtern…
Zwischenfazit: Biel hat sich mehrere strukturelle und dynamische Stellungsvorteile erarbeitet/erspielt. Die einzige strukturelle Schwäche wirkt dagegen noch relativ harmlos. Und wie wir ja wissen, braucht es für einen Sieg meist zwei Schwächen beim Gegner.
Nach dem Turnier werde ich berichten, wie Biel gegen mich gespielt hat. Noch ist auch ein geteilter Sieg von Biel und mir möglich. Es bleibt spannend.
Dennis C