Dennis berichtet:
Einmal Holland und zurück oder wie schwer es manchmal ist, ein einfaches Autogramm zu bekommen
Aufgrund einer unglücklichen Fügung des Schicksals musste ich Resturlaub aus 2013 in den Januar 2014 verschieben. Glück im Unglück war, dass ich dafür mal im Januar Urlaub nehmen konnte und folglich im holländischen Wijk aan Zee (gesprochen: Waik an See) am dortigen Traditionsturnier teilnehmen konnte. Aktuell heisst es nach dem Stahlriesen Tata „Tata Steel Chess“, bekannt war es aber auch als „Corus Chess“ und „Hochofen“-Turnier. Nach Dortmund, dem Aeroflot Open in Moskau und dem Reykjavik Open ist mit Wijk nun das vierte Traditionsturnier auf meiner Liste abgehakt. Fehlen noch Biel in der Schweiz, der Politiken Cup in Kopenhagen und die Mutter aller Traditionsturniere, das allerdings schon abgewrackte Hastings.
Nun zum Turnier: Neben der erfolgreichen Teilnahme am 9 Runden-Rundenturnier gegen im Wesentlichen offiziell gleich starke Gegner wollte ich noch ein Autogramm von Boris Gelfand auf mein Holzbrett kriegen. Nein, nicht weil er Vize-Weltmeister oder ein großer Fan von außergewöhnlichen Mützen ist, sondern weil er es wie kaum ein anderer versteht, klassisches Schach auf höchstem Niveau zu spielen. Und das finde ich gut. Es stellte sich heraus, dass es in Wijk leichter ist, 9 Runden gegen starke Gegner zu bestehen, als auch nur einem der dort spielenden GM´s nahe zu kommen: Die GM´s spielen in einem abgetrennten Bereich – so weit, so verständlich. Dass es aber weder vor noch nach der Runde eine Möglichkeit gibt, die GMs bei der Pressekonferenz oder Analyse zu erleben und auch der Weg aus dem Gebäude quasi über einen separaten Eingang ermöglicht wird, führt dazu, dass die teilnehmenden GMs praktisch überhaupt keinen Kontakt zu den mehreren Hundert Amateuren haben. Hier hat der Veranstalter dieses ansonsten ausgezeichnet organisierten Turniers noch echtes Verbesserungspotenzial. Weitere Besonderheit: Es gab Catering im Saal. Immerhin außergewöhnlich geräuscharm… Gewöhnungsbedürftig war dafür, dass an jedem zweiten Brett ein Mini-Mülleimer aufgestellt war und diese Mülleimer genauso wie die leeren Flaschen und Kaffeebecher von einer Putzfrau 2 mal täglich noch während der Partien entsorgt wurden – nicht ganz so geräuscharm wie das Catering, aber man gewöhnt sich tatsächlich dran. Neben 3 wirklich üppig ausgestatteten Schachläden im schönen Stranddorf und wenig Platz zwischen den Tischreihen (die Gruppe, in der ich spielte, hatte in dieser Hinsicht die ungünstigsten Plätze im ganzen Saal…) gab es ansonsten noch ein verblüffend echtes Walter Hillgärtner Double und natürlich die legendäre Wijk aan Zee Erbsensuppe, die schon Kasparov geniessen durfte…. Nicht die Selbe, aber bestimmt die Gleiche.
Übrigens kommt man mit englisch in Holland sprachlich ausgezeichnet zurecht. Wenn man nicht überheblich wirkt, sprechen viele Holländer auch freiwillig deutsch.
Das Turnier selbst verlief für mich durchwachsen: 4,5 aus 9, davon 2 lustlos verschenkte und 2 gewonnene Partien, davon eine glänzend, am Ende blieb ein leichtes Plus bei Elo und DWZ.
Fazit: Wijk ist schön, die Unterkünfte und das Startgeld sind günstig, das Turnier ist hervorragend organisiert, man kann 9 Runden Turnierschach gegen gleich starke Gegner spielen und wenn man schlecht spielt, sind es nur 30 km nach Amsterdam, wo es genug interessante Sehenswürdigkeiten gibt… Ansonsten nutzt man nur den freien Tag nach Runde 6 für einen Ganztagesbesuch