Es ist fast geschafft! In Runde 6 wurde ein passiver Libyer (ja, so was gibt´s auch) in einer langwierigen Partie überspielt und in Runde 7 war ich zu blöd, mich ordentlich zu verteidigen, nachdem ich schon die bessere Stellung mit Schwarz und deutlichsten Zeitvorteil rausgespielt hatte. Man kann nicht alles haben.

Mein libyscher Gegner und sein zur Analyse dazugekommener Landsmann erzählten mir noch etwas über die derzeitigen dortigen Verhältnisse: Besser seien die Verhältnisse geworden, aber seltsam sei es schon; mittlerweile hat fast jeder eine Schusswaffe. Da ist das Gefahrenpotenzial naturgemäß höher als anderswo und die Gefühlswelt verlagert sich in eine ungewohnt Richtung.
Während der sechsten Runde fand in der Halle des Einkaufszentrums, wo unser Spielsaal war, eine Live-TV-Modenschau mit Live-Musik statt. Freunde, ich sage Euch: Die Bässe des Schlagzeugs wirkten so sehr, dass bei uns im zweiten Stock die eine Hälfte der Spieler automatisch bei jedem Lied mitschunkelte. Die andere Hälfte wurde aufgrund der hohen „Puls-Empfehlung“ des Schlagzeugs, vielleicht auch nur, weil es so laut war, deutlich unentspannter…. Der fatalistische Schachspieler, bereits sturmerprobt und mit jeder vorsätzlichen („10 cm Seitenabstand zum nächsten Brett reichen doch vollkommen aus! Aufschreiben kann man auf den 5 cm vor dem Brett.“) oder sorglosen (glaubt es: Laute Musik ist besser als Schach spielen im Halbdunkel!) Ablenkung konfrontiert worden, zuckt mit den Schultern, weil er es ja doch nicht ändern kann und auch die Gegner mit der Schikane zu kämpfen haben, freut sich über die Abhärtungslektion und konzentriert sich wieder. Zur Klarstellung muss gesagt werden, dass die Organisatoren wirklich nichts dagegen tun konnten und es vorher auch nicht wussten. Überhaupt machen die Organisatoren hier einen erstklassigen Job, das muss mal gesagt werden.
Um ganz beiläufig auf die Überschrift zurückzukommen: Mit 4 aus 7 habe ich mich nicht mit Ruhm bekleckert, da hätte ich mich lieber mit Rum bekleckern sollen, aber: Verloren habe ich nur gegen junge rumänische Spieler, deren vergangene und aktuelle Ergebnisse eine klare Unterbewertung zeigen. Was will man aber auch erwarten in der rumänischen Hauptstadt des Schachs, wo ca. 3000 Kinder in der Schule Schach lernen und es professionelle Schachlehrer in der Schule gibt? Zur Verbesserung seines Elo-Ratings sollte man sich Rumänien als Turnierziel daher eher nicht aussuchen.

Das Highlight: Die Prüfung zum Trainer wurde mit dem erhofften Ziel absolviert! Es leben die gesunden Vorkenntnisse! Die 3 Seminar-Tage und das am ersten Tag verteilte dicke Buch zur Vorbereitung auf die Prüfung haben auch sehr geholfen… Enorm war auch das Niveau des Seminars. Wir mir zugetragen wurde, waren von den 20 Teilnehmern (4 Frauen) fast alle Titelträger und mindestens Teilzeit-Schachtrainer. Da fühlt man sich manchmal ziemlich klein….
Und damit wären wir dann beim Zitat, dass nicht nur Huub Stevens schon in den Mund genommen hat: „Ein Titel ist ein Titel.“ Sofern der Schachbund nichts dagegen hat, dürfte ich beim nächsten Fide-Board-Meeting im September folglich einen der seltenen Fide-Instructor-Trainer-Titel verliehen bekommen. Bisher gibt es in Deutschland nur ganze 4 Fide-Senior-Trainer, darunter so ehrenvolle Namen wie Artur Jussupow, Bundestrainer Uwe Bönsch und Igor Glek, (ehemaliges) Vorstandsmitglied der ACP, 6 Fide-Trainer und 3 Fide-Instructoren, zu denen z. B. auch IM Jonathan Carlstedt gehört, der seit ein paar Jahren eine Schachschule in Lüneburg hat. Zum Fide-Trainer bin ich eh nicht geschaffen, die sind für Spieler mit einem Rating zwischen 2150 und 2450 gedacht.
Zum Schluß noch ein Zitat des Dozenten: „Man bezahlt einen Trainer für seine Lehr-Qualitäten und nicht für seine spielerischen Fähigkeiten. Wenn man einen guten Spieler haben will, empfehle ich Rybka oder Houdini, die spielen ziemlich gut, erklären aber nur sehr selten…“ Nebenbei erwähnt: Man lernt tatsächlich viel über systematisches Schachtraining, selbst wenn man darüber schon Bücher gelesen und sich intensiv Gedanken gemacht hat. Was habe ich Zeit mit nutzlosem Training verschwendet!

Jetzt noch 2 Runden gut spielen, um das Turnier halbwegs zu retten und dann mal wieder selbst trainieren…

{von Schachfreund Dennis Calder per Mail aus Rumänien}